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TOKOLive Tagebuch 2007 - 2. Teil
Es ist Montag und ich habe mich entschlossen einen Tagebucheintrag außer der Reihe zu schreiben. Die Kinder sind grade im Wald, es ist Boot-Camp Time und das Ganze als Rallye mit schweren Aufgaben getarnt. Alle sind begeistert dabei, dass Haus ist ruhig und ich habe Zeit mich der Geschichte zu widmen.
Was ist alles passiert? Eine Menge lieber Leser, in der 1. Woche gab es fast täglich camp Meetings, wir hatten z.T. Probleme die Meute zu schaffen. Es war so unsagbar laut im Haus, dass viele Kinder einfach unter Stress standen und das Aggressionspontential einfach immer mehr stieg. Mit Ermahnungen war nicht mehr dagegen anzukommen. Manchmal dachte ich, dass unser Versprechen kein Kind nach hause zu schicken, für einige einfach so was wie ein Freifahrtschein war und so wurden die Betreuer getestet wie es nur ging.
Also mussten wir reagieren, es gab das erste ernsthafte Campmeeting, wir mussten härtere Sanktionen androhen, da einige Kinder wirklich nur die klaren Worte verstanden, manchmal bekam man den Eindruck, dass spätestens 15 Sekunden nach einer Ermahnung alles vergessen sei und man genau da weiter machte wo wir aufhörten. Also war die Frage was wie tun sollten.
Ich fragte die Kinder, erklärte ihnen zunächst die Situation anhand ihres ADHS. Ich fragte sie ob sie das Gefühl aus der Schule kennen, wenn z.B. 1000 Geräusche, Eindrücke und andere Dinge auf sie einprasselten. Sie sagten alle, ja das kennen wir, ich kann mich dann nicht mehr konzentrieren, einige sagten ich werde davon aggressiv. Andere wiederum erklärten, ich ziehe mich dann in meine Traumwelt zurück und bekomme gar nichts mehr mit. Ich fragte sie dann ob sie diesen Zustand mögen. Sie sagten alle nein, sie würden z.T. auch Kopfschmerzen davon bekommen und der Tag sei gelaufen.
Ich erklärte ihnen dann, anhand der selbst erlebten Situationen, dass die Lautstärke im Haus, vor allem beim Essen, genauso wäre nur, dass es alles noch 1000 mal schlimmer sei. Ich erklärte ihnen das dieser Lautstärkepegel Aggressionen hochholt, dass viele und ganz besonders die kleineren darunter fürchterlich leiden würden. Mal ganz abgesehen von den Kindern die das Asperger Syndrom haben, für die würde sich dieser Lärm wie körperlicher Schmerz anfühlen. Hinzu käme, dass wir Betreuer auch darunter leiden würden, da die Lautstärke noch ein weiterer Stressfaktor sei, der nicht unbedingt dazu beitragen würde, dass wie entspannt sind und uns die Zeit die wir uns für die Kids nehmen möchten, entspannt erleben können.
Ich bin wie immer völlig begeistert wie die Kids darauf reagiert haben. Sobald ich mit meinem Monolog fertig war, entwickelte sich eine Diskussion über das Thema ADHS und Asperger. Es kamen viele Fragen, wie dass denn nun mit dem Asperger sei und wie mit dem ADHS haben, wie funktioniert das denn nun alles und wie soll man sich das vorstellen. Wir dann so etwas wie ein Gesprächskreis gehabt, in den viele der Kinder einfach ihre eigene Situation beschrieben, man hörte ständig „Oh“ und „Ah“, „das kenne ich auch“, „dass ist bei mir auch so“.
Am Ende dieser Runde, war nicht nur der Stress wegen der Lautstärke verflogen, sondern es machte sich ein Verständnis breit, welches sich auch sofort danach zeigte. Es wurde wirklich ruhig im Haus, jeder achtete auf jeden und sorgte dafür, dass niemand mehr unter Schreien, Kreischen, Brüllen und anderen lauten Aktionen zu leiden hatte.
Ich war wirklich begeistert, diese Kinder sind einfach in ihrer emotionalen Intelligenz so hoch ausgebildet, dass sie die Dinge nicht nur verstehen sondern sofort umsetzen.
Nach diesem Gespräch veränderte sich auch die Qualität des Camps, es gab erheblich weniger Streitereien, es gab kaum noch Diskussionen und das zu schlafen gehen war so was wie ein Selbstgänger. Da fällt mir grade noch ein, dass einige Kinder der Meinung waren, dass wir unsere Sanktionen nicht durchsetzen würden, wir würden zwar 20mal sagen, „wenn du nicht gleich... dann passiert...“ aber wirklich etwas passieren würde nicht. Da musste ich wieder an das denken, was ich vielen Eltern immer wieder sage, GRENZEN, Grenzen sind der Schlüssel, die Kinder dürsten förmlich danach. Sie brauchen einfach jemanden, der konsequent die Regeln einhält und vor allem vorgibt. Mein Lieblingsspruch ist immer, der Fisch fängt am Kopf an zu stinken und genauso war es auch wieder.
Was wir den Kindern vorleben, werden sie ohne nachzudenken nachleben, schließlich sind es Kinder und im Grunde haben sie sogar das Recht darauf. Also änderten wir unsere Strategie, es gab ab sofort nur noch eine Ansage und als 2. Aktion die Sanktion. Beim Schlafen gehen bedeutete das z.B. mit der Matratze auf dem Flur zu schlafen, dass wirkt Wunder. Bei lautem Schreien gab es zeitweiligen Zimmerarrest, bei Widersprechen oder den Anordnungen der Betreuer nicht Folge zu leisten, Ausschluss bei den Aktionen und aufs Zimmer gehen. Lieber Leser, es wirkte Wunder, die Kinder merkten das es uns ernst sei und es lief alles wie am Schnürchen, keinen Ärger mehr, keine Rangeleien mehr, Kinder die pünktlich um 22.15 Uhr schliefen. Es sprach sich in Windeseile herum, dass man sich lieber nicht mehr mit den Betreuern anlegen sollte.
Es war wieder richtig schön im Camp, wir hatten richtig viel Zeit für die Kinder und die Kinder waren zufrieden und glücklich, weil nun wirklich jeder auf seine Kosten kommen würde...
Doch nun zu den positiven Erlebnissen im Camp! Und glaube mir lieber Leser, davon gibt es so viele das ich heute schon das Tagebuch schreibe, da ich mich sonst am Mittwoch nicht von dem Rechner wegbewegen könnte...
Es haben sich so viele Freundschaften gebildet, dass ich richtig glücklich bin dieses Camp leiten zu dürfen und daran teilhaben kann... Allein durch die Rollenspiel AG finden sich so viele Kinder, weil jeder seine Rolle wählen darf und sich dadurch Partnerschaften finden, die auch noch nach dem Spielen halten. Im hinteren Teil des Lagers haben sich die Kinder mittlerweile ein richtiges Dorf gebaut, dort gibt es Kämpfer, Magier, Händler, Gruppenleiter, Bauleiter usw. usw. usw... Ganz nach dem Motto von Asterix und Obelix gründet sich dort eine Gemeinschaft, in die wir als Betreuer auch nicht eingreifen. Wir achten auf Sicherheit und Ordnung aber im Grunde organisieren sich die Kids dahinten selber, dass von uns nur ein Eingreifen bei Schlichtungsfällen von Nöten ist.
Das Ganze geht soweit, dass die Kids wenig Lust auf die normalen Programme haben, Fußball interessiert nur noch ganz wenige, in der Bastel AG werden Kostüme und andere Utensilien gebaut und eigentlich ist das ganze Campgeschehen auf die Rollenspiel AG ausgerichtet. Selbst die Herbergsfamilie überlegt schon, wo wir noch Baumaterial herbekommen...
Ich bin davon richtig begeistert, weil die Kinder so Team-Geist erleben und sich wirklich selber organisieren, inkl. Verantwortung für die eigene Rolle, die natürlich täglich weiter entwickelt werden.
Selbstverständlich laufen die weiteren Programme weiter aber was soll man machen? Unser Camp ist so ausgerichtet, dass es nur wenige Programmpunkte gibt an denen die Kinder teilnehmen müssen, sie entscheiden selber wie ihre Freizeit aussehen soll und ich bin begeistert, dass das Konzept tatsächlich aufgeht.
Was aber bei den Kids auch sehr gut ankommt ist z.B. Volleyball, da wird gegen die Betreuer gespielt und wenn ich an das letzte Jahr denke, konnten viele der Kinder kein Volleyball spielen. Ausflüge werden selbstredend auch gemacht, Schwimmen gehen, Waldspaziergänge oder heute unsere Waldrallye die von allen Kids richtig gerne angenommen wird. Das unser Kino auf Hochtouren läuft, brauch ich wohl nicht zu erwähnen, 90 Minuten absolute Stille im Haus, außer vielleicht mal ein herzhaftes lachen oder so was.
Was aber gestern ein Highlight gewesen ist, war unsere Disko. Da wurde zunächst der ganze Nachmittag dekoriert, damit auch alles stimmte, ab dem Abendsessen, war niemand mehr auf dem Flur, alle waren in ihren Zimmern und es wurde gestylt, geschminkt und mindestens 5 mal der Koffer bzw. der Schrank ein und ausgeräumt. Schließlich war Disko und da hat man gefälligst cool zu erscheinen. Ich musste teilweise sehr schmunzeln, da sich die ersten Gefühle zeigten und es eben „cool“ geklärt werden musste, wer mit welchen Mädchen tanzen würde...
Es war wie immer, die mit der größten Klappe waren diejenigen die immer alleine tanzen mussten. Die anderen Jungs waren wirklich galant, da wurde ganz klar dafür gesorgt, dass keins der Mädels angerempelt wurde, es wurde höflich aufgefordert und ganz stilecht getanzt, es war einfach nur herrlich... Liebe Mütter, seid versichert ein jeder eurer Söhne ist ein wahrer Gentleman...
Was aber die Krönung war, war die Zeit nachdem ich wie jeden Abend den Kindern gute Nacht sagte. Ich musste gestern Nacht fast jedes Zimmer bis zu 3 oder 4 mal besuchen, da ich irgendwelche Liebesgrüße ausrichten musste, also...
Olli und Fabio mögen Nina, Nina aber nur Stefan, Stefan wiederum steht auf Marisa, Marisa möchte aber lieber David allerdings mit dem Bauch von Stefan, Justin wiederum steht auf ein anderes Mädchen und David steht auch auf Marisa. Lieber Leser sei versichert, dass ich alle Liebesgrüße ausgerichtet habe und so alle Kinder irgendwann Ruhe hatten und zufrieden zu Bett gehen konnten. Im Übrigen schreibe ich das nur öffentlich, da es eh jeder im camp weiß, denn daraus wird garantiert kein Hehl gemacht. Es kann allerdings sein, dass ich einige Liebeleien nicht mitbekommen habe, so dass einiges untergegangen ist.
Allerdings sei noch zu bemerken, dass sich einige der Jungs heute fest vorgenommen haben ihre Liebste zu küssen. Ich bin da aber relativ entspannt, weil mich einige vorher noch fragen mussten, wie man denn richtig küssen würde... Also liebe Eltern, macht euch keine Sorgen, dass wird schon!!!
So lieber Leser, an dieser Stelle werde ich für heute mein Tagebuch schließen, zum einen weil die ersten Kids von der Rallye nachhause kommen und zum anderen das Campleben weiter geht.
Ach so, was die Filme aus der Filme AG betrifft, muss ich leider noch um Geduld bitten. Ich bin einfach noch nicht dazu gekommen, die jeweils 3 GB großen Dateien für das Internet umzuwandeln. Ich verspreche aber, dass das noch passieren wird.
Am Mittwoch gibt es dann wieder neue Storys, solange müsst ihr leider noch warten...
Jochen Bantz