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TOKOLive Tagebuch 2007 - 1. Teil
Es ist soweit, es ist Mittwoch und die Rangertour findet statt, dass ist der Tag an dem ich immer mein Tagebuch über die TOKOLive Ferienfreizeit schreibe. Eltern, Großeltern, Wissbegierige und Andere warten auf diesen Moment und ich will sie auf keinen Fall enttäuschen...
Wir schreiben das Jahr 2007 und zum 2. Mal haben wir uns an das Unterfangen der TOKOLive Ferienfreizeit gewagt. 30 Kinder mit Dispositionen wie ADHS, Asperger Autismus, Hochbegabung und posttraumatischer Belastungsstörungen, besiedeln das Camp im Harz, dass Schullandheim Königskrug ist wieder erobert.
Wir wurden wieder herzlich von der Familie Kutschke empfangen, kurze Einweisungen, was geht was geht nicht, es ist wie alte Freunde besuchen. Schon im Vorfeld wurde alles per Telefon geklärt, sodass keine Fragen offen bleiben und wir entspannt unser Unterfangen starten können.
Es ist Freitag, der 13.7.2007, 9.30 Uhr, Katrin, Jolin und ich kommen im Harz an, Cori, Kevin, David und Tobi erwarten uns schon, auch Nanna lässt nicht lange auf sich warten, im Schlepptau ihre Kinder Fabio und Ellie kommen sie mit strahlenden Gesichtern an. Der 1. Tag war mit einigen Verzögerungen verbunden, wir konnten das Haus erst gegen 14 Uhr beziehen, was aber den ersten Aktivitäten der Kinder keinen Abbruch tat...
Als die ersten Kinder ankamen, hatten wir schon unser Büro eingerichtet, sprich mein Zimmer, welches sich als Zentrale für alle Dinge entwickeln sollte...
Die Kinder kamen mit ihren Eltern, jeweils der zugeteilte Betreuer machte die Aufnahme, zuvor gab es die Regelerklärung die das Camp betrifft. Zunächst bekam jedes Kind eine Bauchtasche inkl. Trinkflasche, die wir von der Firma Halfar gesponsert bekommen haben, dann gab es die Campcard, die lebensnotwendig ist, da es ohne diese keinen Gameboy oder anderes gab... Dann bekam noch jedes Kind 21 Murmeln, die ich aber später noch erklären werde.
Dann kam das Regelwerk, es gibt nicht viele Regeln, diese sind aber sehr streng und es werden keine Ausnahmen gemacht!
Regel 1:
Jeden Tag wird sich nach dem Frühstück und nach dem Abendessen, die Zähne geputzt!
Regel 2:
Jeden Abend wird geduscht, inkl. Haare waschen!
Regel 3:
Das Haus wird nur mit Hausschuhen betreten!
Regel 4:
Jedes Kind darf sich für 50 Cent am Tag im Kiosk Süßigkeiten kaufen!
Regel 5:
Um 22 Uhr ist Bettruhe!
Regel 6:
Vor jedem Essen werden sich die Hände gewaschen!
Regel 7:
Ab 15 Uhr gibt es keinen Zucker mehr, weder in Getränken noch als Speise...!
Man höre und staune lieber Leser, es funktioniert, jede Regel wird eingehalten, sodass Sanktionen und Erinnerungen ab dem 2. Tag nicht mehr nötig waren. Was mich allerdings am meisten lachen ließ, waren die Eltern bei der Aufnahme, die sich bei der Regelerklärung ein fieses Grinsen einfach nicht verkneifen konnten... Wogegen die Sprösslinge eher entsetzt waren und einige auch meinten, „dass werden wir ja noch sehen“ wir haben es gesehen und siehe da kein Kind versucht sich einer dieser Regeln zu widersetzen.
Sicher muss das ein oder andere Kind noch mal daran erinnert werden und einige sind dann auch noch enttäuscht, dass wir Betreuer uns den Spaß machen und im Duschraum überwachen ob denn alles was zum Duschen und Zähne putzen gebraucht wird, mit aus dem Zimmer runter gebracht wird aber wir können wirklich voller Stolz behaupten, dass wir eine 100% Quote vorweisen können und jedes Kind den hygienischen Anforderungen entspricht.
Am 1. Tag konnten die Kinder erstmal alles inspizieren, es wurde wie immer Fußball gespielt, Spiele ausprobiert, der Basketball Platz gestestet und vor allem geschaut wer denn die neuen Freunde und Betreuer seien.
Die erste Nacht war wie beim letzten mal, es war laut, wir hatten den Kinder erlaubt bis ca. 23 Uhr noch „leise“ auf den Zimmer zu quatschen, schließlich war alles neu und die Kinder hatten die Möglichkeit sich besser zu beschnuppern. Ab 23 Uhr wurden wir dann allerdings aktiv, so wurde mal wieder lautstark erklärt das nun Ruhe zu herrschen hatte, es gab auch wieder 4 Auszüge aus den Zimmern um vor allem auch unsere Glaubwürdigkeit als Betreuer zu untermauern. Gegen 00:30 Uhr hatten wir es dann auch geschafft und konnten unser 1. Meeting abhalten. Das Haus schlief.
Der 2. Tag brach heran, es gab um 9 Uhr Frühstück welche so laut war, dass man fast Angst hatte einen Hörsturz zu erleiden, mehrere Ermahnungen waren nötig, so dass wir es immer wieder schafften für kurze Momente Ruhe im Speisesaal zu schaffen, was aber wie gesagt nur von kurzer Dauer geprägt war.
Nach dem Frühstück mussten wir dann erstmal unser Camp aufbauen, der 5 Tonner musste ausgeladen werden, woran viele Kinder mit Freude teilnahmen, schließlich hatte der LKW eine Hebebühne die bedient werden musste und es gab kleinere Reibereihen wer denn nun dran sei mit hoch und runter fahren. Die anderen Kinder konnte man wie gewohnt auf dem Bolzplatz treffen oder auf dem Basketballplatz, jeder hatte seinen Spaß, sodass wir Betreuer entspannt alles vorbereiten konnten.
Das Mittagessen verlief ähnlich wie das Frühstück und es gab erneute Ermahnungen dass es doch bitte etwas ruhiger zu sein hat.
Dann brach die erste Gameboyzeit an, es wurde um Minuten gefeilscht, wenn die Kinder bei allen anderen Dingen wie bei der Gameboyzeit auf Pünktlichkeit achten würden, könnten wir Betreuer diese Freizeit entspannt als Urlaub betrachten, da aber diese Zuverlässigkeit nur im Zusammenhang mit den Gameboys klappt, müssen wir uns von diesem Gedanken leider lösen und achten so darauf alle Kinder immer wieder zu erinnern was denn nun gleich passieren würde.
Am Nachmittag gab es dann unsere Routecard unsere Rallye durchs Camp mit Fragen die auf die Abläufe und Gegebenheiten im Camp ausgerichtet sind. Auch diese wurde wieder mit Freude angenommen, so konnten wir den Kindern am besten vermitteln, was bei uns alles passiert...
Nach der Routecard gab es dann das 1. Fußballmatch, selbst unsere Mädels waren mit Begeisterung dabei so dass jeder auf seine Kosten kam. Am Abend haben wir dann einen Spielabend organisiert, der auch von allen angenommen wurde, so hatten alle noch mal die Möglichkeit in Ruhe zu schauen wer denn alles mit dabei sei.
Auch die 2. Nacht war wieder mit einigen Umzügen gespickt, die allerdings merklich nachließen, da sich im Camp herumgesprochen hatte, dass wir Betreuer unsere Ansagen durchzogen und uns auch nicht durch dicke Krokodilstränen erweichen ließen... J Man sollte hier bedenken, dass wir unsere Vorstellungen erst nach ca. 20maligem Ermahnen durchsetzten...
Am Sonntag war dann unsere Olympiade angesetzt und unsere 1. Nachtwanderung, beides war mit ungeplanten Komplikationen verbunden. Zum einen gab es Probleme in der Spülküche so das sich der Beginn unserer Olympiade in die Länge zog und sich dadurch Unruhe breit machte, was der späteren Olympiade aber keinen allzu großen Abbruch tat, wir aber dadurch keine Zeit hatten die Nachtwanderung vorzubereiten...
Nach dem Abendessen haben wir Betreuer dies bezüglich aber noch mal besprochen und beschlossen mit den Kindern zu reden und zu fragen was ihnen am liebsten sei, also gab es ein Campmeeting wo ich den Kids erklärte wie die Situation sei und es uns sehr leid tat, dass wir es einfach nicht geschafft haben alles vorzubereiten.
Nachdem ich meinen Monolog über die Situation beendet hatte, sagte eines der Kinder, „na dann verschieben wir eben die Nachtwanderung damit ihr Betreuer Zeit habt und Euch vor allem erholen könnt“, es brach sofort ein Jubelgeschrei aus und alle Kinder waren sofort der selben Meinung. Wir Betreuer hatten im Vorfeld etwas Sorge, dass nun einige Kinder enttäuscht seien, was aber nicht mal im Ansatz der Fall sei. Es zeigte sich mal wieder, dass diese Kinder mehr Verständnis zeigen und mehr mitbekommen, als oftmals allgemeinhin angenommen wird. Als Gegenleistung durften so alle Kinder noch eine extra Gameboyzeit im Zimmer haben, was die Jubelschreierei noch erhöhte.
In dieser Nacht war es dann auch nicht mehr so schlimm, mit dem einschlafen so das wir Betreuer relativ früh Feierabend machen konnten.
Am Montag war dann das 1. richtige Fußballturnier auf dem Plan und die Film AG begann ihr erstes Projekt. Das TOKOLive Sportstudio, mit richtigen Reportagen, Interviews und Studioaufnahme, die alles einfing was auf dem Turnier los war, auch im Background wurde hinterfragt und diversen Gerüchten nachgegangen, z.B. ob der Tee tatsächlich mit Schlafmitteln versetzt sei, ob man im Hintergrund von der Fußballmafia etwas mitbekommen hatte und ob allen die Fußballhysterie im Camp aufgefallen sei.
Auch die Spieler blieben nicht verschont, so wurden pikante Fragen angesprochen, wie Steuerhinterziehung, Beziehungsprobleme und natürlich die Frage nach dem Doping der Spieler. diese Sendung sollte sich keiner entgehen lassen und sich den Sendetermin, vorrausichtlich Donnerstag schon mal ganz dick und fett vormerken.
Am Abend haben wir dann ganz spontan beschlossen unsere Nachtwanderung nachzuholen J... Wir holten die Kinder um 22.30 Uhr aus den Betten, einige schliefen schon was aber nichts ausmachte und die Kids innerhalb weniger Sekunden wieder Top-Fit waren. Also ging es los, selbst unsere Asperger Kinder waren mit von der Partie uns ließen sich dieses Erlebnis nicht entgehen... Also ging es dann mit Taschenlampen in den Harzer Wald, der gleich hinterm Haus liegt...
Da ich wie immer die Truppe anführte folgte mir jeder auf Schritt und Tritt was diesmal aber nicht so gut gewesen ist... Ich habe mich tatsächlich verlaufen. So wurde aus der geplanten 30 Minuten langen Nachtwanderung ein 15 Minuten langer Rundlauf, der leider alles andere als wirklich spannend war. Die Betreuer die für die Gruselschocker eingeplant waren, wunderten sich etwas über meinen Kurs und die Nachtwanderung war ein besserer Spaziergang... Ich musste selber über mich lachen und gelobte Besserung, die Kids fanden das natürlich besonders klasse, da sich das natürlich sofort im Camp herumgesprochen hatte und ich das Gelächter noch heute vernehmen kann.
Auf der anderen Seite ist dies nicht so schlimm, da ich dann eine kleine Ausrede für die hatte, die mit Kettensägenmassaker und ähnlichen gerechnet hatten, und nun nur einen Spaziergang durch den Wald erlebten. Allerdings gab es auch einige Kinder, denen dieser kurze Tripp mehr als ausreichte und aus dem Gruseln fast nicht herauskam. Lieber Leser sei versichert, der Harzer Wald ist in der Nacht alles andere als romantisch...
In dieser Nacht gab es im übrigen keinerlei weitere Vorfälle bezüglich des „Nicht-Einschlafen“ es war eher so das die Kinder trotz meines Fehllauf glücklich waren und auch sofort einschliefen...
Am Dienstag waren dann erstmal diverse Zimmerumlegungen angesagt, wir hatten ausreichend Zeit unserer Sprösslinge zu studieren und konnten nun schauen wer mit wem zusammen passte, so wurden aus den beiden 8 Bett Zimmern jeweils 4 Bettzimmer und einige Neustrukturierungen innerhalb der Belegungen fand statt. Das unsere Entscheidungen richtig waren, zeigte sich auch sofort beim Mittagessen, man konnte ohne schreien reden und es herrscht nun eine wirklich angenehme Lautstärke, dass sogar unsere 4 Asperger wieder im großen Speisesaal mit dabei waren.
Am Dienstagnachmittag fand dann zum 1. Mal die Computer AG statt und die Volleyball AG machte die Tore auf, beides wurde richtig gut angenommen und jeder hatte seinen Spaß. Am Abend haben wir dann unseren neuen Beamer eingeweiht und es gab Kino für alle, die Wilden Kerle 3 flimmerte im Kinoformat über die Leinwand und alle Kinder waren sichtlich glücklich.
An dieser Stelle möchte ich unseren 4 Asperger Kinder ein kleines Kapitel widmen. Also da gibt es nun 4 Asperger Kinder, die sich wirklich zum Teil von den anderen Kindern abheben, sie brauchen viel Ruhe und vor allem Ansprache, an dieser Stelle einen besonderen Dank an Cori, die sich so toll um die vier kümmert, dass dies erstmal seines gleichen suchen muss...
Also, diese 4 Kinder, jeder mit einem anderen Spezialwissen blühen von Tag zu Tag mehr auf, der eine kann einem alles über Automarken erzählen, wenn ich übrigens alles sage, dann meine ich auch wirklich alles..., der andere weiß alles über Formel 1, der nächste kennt jedes Bundeswehrflugzeug und dann haben wir noch einen der das gesamte Sonnensystem erklären kann. Es ist immer wieder faszinierend wie diese Kinder funktionieren. Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass sich diese Kinder mittlerweile so wohl fühlen, dass ich allen Mamis und Papis garantieren kann, dass sie die Zeit ohne ihre Sprösslinge in vollen Zügen genießen können...
Worauf ich aber hinaus will, sind die letzten beiden Tage... Eines der Kinder entdecke das in der Bastel AG soviel Papier vorhanden ist, dass man damit nicht nur Schwalben bauen kann, sondern richtige Flugzeuge entwickeln kann, die mittlerweile eine Größe von bis 2,50 Meter erreicht haben und nicht mehr alleine getragen werden können. Diese Entdeckung ist mittlerweile auf alle 4 Kinder übergetreten und wir unsere 4 Aspies nur noch in der Bastel AG entdecken und zwar mit strahlenden Gesichtern und nicht einen einzigen Gedanken mehr an Zuhause, geschweige denn, dass sich dort auch nur im Ansatz Heimweh bemerkbar macht.
Das diese Flugzeuge bis ins Detail stimmen, also, sowohl Räder haben die ein und ausgefahren werden können, maßstabsgetreue Fenster haben, Türen die sich richtig öffnen lassen und Cockpits besitzen in die man reinschauen kann muss ich nicht erwähnen...
Was allerdings bezeichnend ist, ist die Tatsache, dass mittlerweile aus einem Flugzeug ein ganzer Flughafen mit Flugzeugen wie der Airbus 380, Phantomflieger, Hubschrauber, Tower, Flugzeughallen, Startbahnen, kleinen Menschen, Segelflugzeuge und diverse andere Flugzeugmodelle entstanden ist, die ich nicht mal kenne...
Es ist wirklich unbeschreiblich, wie glücklich diese Kinder sind und vor allem wie stolz sie auf ihre Bauten sind, so dass wir beschlossen haben, eine extra Reportage darüber zu drehen und einen eigenen Film davon zu erstellen.
Da fällt mir übrigens grade ein, dass wir von einem Elternpaar DIN A3 Pappe zum basteln geschenkt bekommen haben, diese ist nun leider fast aufgebraucht, wir würden uns also über Nachschub freuen...
So lieber Leser,
es ist jetzt 12.30 Uhr und unsere Kids müssten jeden Augenblick von der Rangerwanderung zurückkehren. Heute Nachmittag gibt es unsere Film AG, Computer AG und Volleyball AG. Am Abend werden wir dann endlich unsere Siegerehrungen der vergangen Tage vollziehen, welche sich immer wieder verschoben haben, weil einfach die Zeit fehlte um alles vorzubereiten.
Dies aber nicht weil wir schlecht organisiert sind, sondern weil wir es als unsere Hauptaufgabe sehen, den Kindern bei Problemen und Fragen soviel Zeit zu zugestehen wie sie eben brauchen, da bleiben halt manchmal gewisse andere Dinge auf der Strecke. Aber und das wird mir persönlich immer wieder bewusst, es geht oftmals nicht um die Programme die wir anbieten, sondern um die Aufmerksamkeit, dass Zuhören und das Verständnis dafür, wie unsere Kinder eben nun mal sind!
Am nächsten Mittwoch werde ich dann den nächsten Tagebucheintrag präsentieren und freue mich jetzt schon darauf, dass unser Haus gleich wieder mit Leben gefüllt wird!
Jochen Bantz