TOKOLive Rückblick '06 Teil II

Eine weitere Woche ist herum, und es gibt wieder vieles zu berichten. Bevor ich aber auf das normale Campgeschehen eingehe, möchte ich unserer Heimleitung ein eigenes Kapitel widmen, denn so etwas muss man erst einmal finden...

Also, da gibt es drei an der Zahl und ein halber in Form eines Hundes: Franziska Kutschke (Tochter), Margit Kutschke (Mutter), Rolf Kutschke (Vater) und zu guter letzt Anton, der Haus-und-Hof-Hund...

Wenn man der Aussage „Kein Problem“ jemanden zuordnen müsste, ist es auf jeden Fall Familie Kutschke. Sie steht uns immer zur Seite, sei es mit guten Ratschlägen zu dem, was wir unternehmen können, vergessene Bettwäsche am Abend, Reparaturen im und am Haus, kleine Wehwehchen, Sonderwünsche beim Essen, kalten Tee und alles andere was so anfällt, sie sind stets ohne Murren und Knurren für uns da. Bemerkenswert ist auch das Essen, welches wirklich nichts zu wünschen übrig lässt - ausgewogen, reichhaltig, abwechslungsreich und vor allem sehr lecker.

Wenn ich an meine eigenen Aufenthalte in Schullandheimen denke, war in der Regel der Heimleiter am lautesten. Er brüllte was das Zeug hielt und alle hatten Angst vor ihm. Dies ist hier nicht einmal im Ansatz der Fall. Im Gegenteil, hier wird alles anders geregelt. Ein Beispiels ist das heutige Frühstück. Da steht Rolf mit einem breiten Grinsen und einer ganzen Lage Ü-Eier im Frühstückssaal. Er besticht die Kinder mit den Süßigkeiten, damit sie doch bitte die Türen nicht mehr so zuknallen. Ich gestehe, dass ich schmunzeln musste und mir ernsthaft die Frage stellte, ob denn diese Bitte überhaupt angekommen ist, schließlich waren es Ü-Eier und das andere die Aufforderung, die Türen nicht mehr zu knallen... Dennoch war es klasse, und die Kinder waren für mindestens 10 Minuten damit beschäftigt, die Eier auszupacken, zu essen und zu basteln.

Zu den Dreien sei noch zu sagen: Egal wann man sie trifft, sie sind stets gut gelaunt. Ob Kind oder Betreuer, es wird sich Zeit genommen. Man fühlt sich einfach wohl und hat keinerlei Bedenken, seine Fragen und Bitten zu äussern. Sie werden einfach freundlich erfüllt, und man fühlt sich gut dabei.

Franziska, die Tochter, die jederzeit flexibel auf alle Wünsche eingeht und dem Satz „Kein Problem“ eine eigene Bedeutung gibt; Margit die Mutter, die unseren Abwasch übernimmt, wenn sie sieht, dass wir wieder einmal rotieren und, wie eine Mutter halt, auf die Kinder eingeht, egal wie laut sie mal wieder sind; Rolf, dessen Geschichten, die er hier als Heimleiter erlebt hat, man einfach gerne lauscht.

Wenn ich dies mit den Heimen und Jugendherbergen vergleiche, die ich in meinem bisherigen Leben sehen durfte, ist die Familie Kutschke, mal abgesehen vom Haus und dem Harz, auf jeden Fall eine Reise wert und sollte sich einer der Leser überlegen, im Schullandheim bei ihr Urlaub zu machen, kann ich das nur wärmstens empfehlen. Es ist Urlaub wie bei guten, alten Freunden...

An dieser Stelle... Vielen lieben Dank an die ganze Familie Kutschke für die Gastfreundschaft, die wir hier bei Ihnen erleben und genießen dürfen! 

P.S. ich vergaß noch zu erwähnen, dass auch die Hunde im Haus  nicht zu kurz kommen. Sollte ich mal meinen Hund Oskar suchen, muss ich nur in Richtung Küche gehen. Dort finde ich ihn garantiert! Mit Wurststückchen gefüttert von Margit und Franziska steht er brav vor der Küchentür und erfreut sich der Zuneigung, die er dort erhält...

Heute ist Donnerstag,  der 3.8.2006.
Im Grunde haben wir Bergfest. Die Meute ist wieder auf Rangertour, dieses Mal eine andere Strecke, und ich bin wieder allein im Haus. So ist Zeit, die letzte Woche zusammenzufassen, um den gespannten Leser weiter über unser unglaubliches Unterfangen  zu unterrichten.

Seit letztem Sonntag ist auch die 2. Belegung im Haus, und es gibt keine  nennenswerten Zwischenfälle, ausser dem Wetter der letzten beiden Tage. Es war gelinde gesagt zum Kotzen... Regen, Sonnenschein, wieder Regen, ach so und nochmal Regen. Von draussen Spielen keine Spur, was aber der Stimmung glücklicherweise keinen Abbruch tut, ausser vielleicht dem Bootcamp, denn es war nicht möglich, das Programm durchzuziehen ohne das Risiko einzugehen, den Kindern eine ordentliche Grippe zu verpassen.

Dennoch ist es ein voller Erfolg, es sei denn, es wird gerade Fußball gespielt. Dann entwickelt sich das Bootcamp bei den Teilnehmern kurzerhand zum „Blödcamp“, und alles ist auf einmal langweilig und voll ätzend, aber ich denke, dass dies völlig normal ist und nicht weiter beachtet werden muss.

Für die Kinder ist es ein Spass. So lernen sie mit dem Kompass umzugehen, sogar wenn keiner zur Hand ist, lernen wie man Landkarten liest und auf was man beim Überlebenstraining in der Wildnis achten muss.

Es wird in Zelten übernachtet, der Wald erkundet und vor allem vermittelt, dass vor der Praxis nunmal die Theorie steht, auch wenn sie stinklangweilig ist. Am Freitag, also morgen, werden die Bootcamp Teilnehmer noch zu einer Klettertour mit richtigem Abseilen aufbrechen, um die beiden letzten Regentage wieder gutzumachen...

Nun aber nochmal zurück zum Anreisetag der 2. Belegung. Es war wie beim ersten Mal. Die Kinder werden von ihren Eltern gebracht und verschwinden ohne Umwege zum Bolzplatz. Wir haben Zeit, die Aufnahme der Kinder zu vollziehen und vor allem die Gameboys einzukassieren, welchen ich mich gleich noch etwas intensiver widmen werde...

Die Kinder der 1. Belegung kümmern sich um ihre neuen Kameraden und führen sie direkt in das Campgeschehen ein. Kein Kind steht alleine oder fühlt sich nicht wohl, dafür ist viel zu viel los und Heimweh kommt so selten vor, dass man sich schon fast wundern muss.

Zweimal musste ich herzlich lachen, als mich zwei Mütter anriefen und fragten, wie es ihren Kindern ginge, sie würden ja gar nichts hören und wunderten sich. Wir stellten schnell fest, dass es keinen Grund gibt zu Hause anzurufen und eher die Mütter Sehnsucht nach ihren Sprößlingen hatten als umgekehrt...   

Was unsere Programme betrifft, sind im Grunde jeden Tag zu jeder Stunde Highlights geplant, bei denen sich aber sehr schnell herausstellt, dass dies für die Kinder einfach zu viel ist, sodass wir den Tagesablauf recht flexibel umgestalteten, um den Kinder möglichst viel Freiraum zu lassen, um eigene Ideen und Unternehmungen mit den neuen Freunden umzusetzen.

Morgens ist um 7.45 Uhr Wecken angesagt und dem Leser sei versichert, das jedes Kind noch tief und fest schläft. Danach ist Zähneputzen dran, was mittlerweile ohne Murren und Knurren vollzogen wird. Beim täglichen Tischdienst finden sich so viele Freiwillige, dass sie sich schon selbst im Weg stehen. Nach dem Frühstück ist Bettenmachen und Zimmer aufräumen angesagt, wobei hier die besten Ausreden zutage kommen, wie z.B.: „Zu Hause räumen wir nie auf!“.  Auf die Frage, ob denn die Mutter aufräumen würde, kam ein ganz klares „Nein, das machen wir nie“. Nun gut wir schenkten der Aussage keinen Glauben, und so mussten die Kids natürlich ihre Zimmer aufräumen.

Nach dem Aufräumen begannen dann unsere AG’s. Die Computer AG, die wirklich reichlich besucht wird, zumal die Kinder dort beigebracht bekommen, wie man eigene Computerspiele entwickelt, Briefe nach Hause schreibt oder auch über unseren Proxy im Internet surft.
Dann unsere Musik AG mit Schlagzeug, E-Gitarre, Djembe, Keyboards und natürlich Gesang, die Bastel AG, in der seit 2 Tagen Traumfänger gebastelt oder Pokemon Bilder gemalt werden und andere Aktionen, an denen die Kinder nach Belieben teilnehmen können.

Wer dann gar keine Lust auf die AG’s hat, findet sich in der Regel auf dem Bolzplatz ein, wo nach Herzenslust Fußball gespielt wird.

Um 12.30 Uhr gibt es dann Mittagessen, welches mit einem täglichen und „ätzenden“ Ritual verbunden ist, nämlich dem Händewaschen. So stehe ich tagtäglich in der Tür und frage jedes Kind nach den Händen, um sie zu inspizieren. Da gibt es Kinder, die den Rekord von ca. fünfmal Händewaschen. Zunächst werden die Handinnenflächen vorgezeigt, die trotz angeblichem Waschen immer noch schwarz sind (ich meine wirklich schwarz). Nach wiederholtem Waschen sind dann noch die Aussenflächen schwarz, nach nochmaligem Wiederholen sind beide Flächen noch leicht grau. Da ich nun wirklich wissen wollte, wie so etwas möglich ist, schlich ich mich heimlich in den Waschraum. Wenn man nur den Hahn aufdreht, in der Weltgeschichte herumschaut, die Hände NUR unter das fließende Wasser hält, ohne Seife und zu reiben wird dem heimlichen Beobachter sehr schnell bewusst, was die Ursache dieses Phänomens ist. Nun gut, ich ließ mich aber nicht erweichen und so sind mittlerweile 80% aller Hände tatsächlich sauber...

Nach dem Mittagessen haben die Kids dann Pause. In  dieser Zeit können sie machen, wonach ihnen ist. Es ist die Gameboy Zeit, die in dieser Freizeit heilig ist, zumal die Kinder NUR in dieser Pause, also von ca. 13.00 Uhr bis ca. 14.45 Uhr mit den Teilen spielen dürfen. In dieser Zeit ist es absolut still im Haus... hehehe...

Darüberhinaus sind die Gameboys das allerbeste Mittel, um gewisse Interessen im Camp durchzusetzen. So muss man sich vorstellen, dass es Kinder gibt, die aufgrund von Sanktionen, nämlich keine Gameboy-Zeit, ihre Koffer packten und sofort nach Hause fahren wollten. Als dann allerdings das Spielzimmer aufmachte und auf dem Bolzplatz genügend Spieler für ein Match vorhanden waren, wurde dies auch schnell wieder vergessen. Dennoch bin ich überrascht, welche Wirkung diese Geräte tatsächlich haben.

Nach der Pause geht es dann weiter mit den Programmen. Entweder gibt es wieder unsere AG’s, die wie gesagt sehr gut besucht werden, oder es gibt ein Turnier, welches in der Regel mit Fußball zu tun hat, obwohl es massenhaft andere Spielmöglichkeiten gibt. Aber dem lieben Leser sei versichert: Nichts geht über Fußball...

Zur Abendbrotzeit wiederholt sich dann das Ritual mit dem Händewaschen, und zum Abend folgt irgendein Highlight oder die Kids beschäftigen sich nach Belieben mit den Dingen, die ihnen Spass machen...

Gegen 21.00 Uhr folgt das nächste tägliche Ritual, welches in der Regel mit Wasserschlachten und extrem lautem Gebrüll endet, nämlich das Duschen. Auch hier gibt es wieder Kinder, die NIEMALS duschen müssen oder zu dünne Haut haben und deswegen nicht duschen dürfen oder Mütter, die ihren Kindern das Duschen verboten haben oder jenen, welche angeblich schon geduscht haben, obwohl weder die Duschen benutzt wurden, noch das Handtuch nass ist. Ferner ist der Schmutzrand am Hals oder auch im Gesicht ein klares und verräterisches Indiz dafür, dass dieses angebliche Duschen eher einem in die Luft spucken und darunter herlaufen nahe kommt... Aber keine Sorge lieber Leser, wir lassen uns nicht beirren, sodass auch wirklich jedes Kind die drei Kilo Sand vom Spielen in der Dusche lässt und nicht in die Zimmer oder Betten trägt.

Selbstverständlich gibt es auch Ausflüge, die in der Regel in zwei Gruppen aufgeteilt sind. Schwimmen gehen, Eis selst zubereiten, Rangertouren, Nachtwanderungen usw. Alles ist dabei und findet nach langen Diskussionen auch seine Fans. Also geht es zunächst mit hängenden Gesichtern los und endet mit strahlenden Gesichtern, die einem dann ohne Punkt und Komma erzählen, was sie auf dem Ausflug alles erlebt haben...

Wenn ich nun darüber nachdenke, wie die ersten Tage mit den Kindern waren, die Ängste und Unsicherheiten, die bei ihnen vorhanden waren, und ich heute sehe, wie sehr sie sich eingelebt haben, wenn ich schaue, was für Freundschaften entstanden sind, wenn ich sehe, wie wohl sich die Kinder mittlerweile fühlen und ich merke, wie mir jeder einzelne ans Herz gewachsen ist, egal mit welcher Problematik, merke ich, wie traurig ich jetzt schon bin bei dem Gedanken, dass am Samstag die ersten wieder abreisen müssen und diese Freizeit tatsächlich irgendwann ein Ende haben soll.

Vieles, was ich hier erlebt habe, kenne ich noch aus meiner eigenen Kindheit, z. B. im Bertreuerzimmer zu sitzen, weil ich mal wieder aufgefallen bin oder Unsinn gemacht habe. Mir wird es fehlen, mit den Kids zu sprechen und zu erleben, welche Einsicht und welches Verständnis bei ihnen vorhanden ist, zu erleben, wie sie nach solchen Gesprächen unser Zimmer verlassen und zu sehen, dass sogar etwas hängengeblieben ist. Mir wird es fehlen, ihnen Gute Nacht zu sagen, auch wenn es teilweise bis zu zehnmal am Abend passieren muss, weil es halt doch noch einiges zu besprechen gibt, obwohl dafür der ganze Tag zur Verfügung stand, und auch das tägliche Wecken am Morgen wird mir fehlen.

Für mich persönlich ist zumindest eines jetzt schon sicher: Diese wird nicht die letzte TOKOLive Freizeit sein. Im Gegenteil, ginge es nach mir, könnten wir im Winter, Frühjahr, Sommer und Herbst so etwas machen... ich freue mich jetzt schon darauf!!!

P.S.: Der nächste Tagebuchbericht folgt in der nächsten Woche. Dennoch sei nicht traurig lieber Leser, denn morgen Abend findest du wieder neue Fotos und Videomitschnitte, an denen du dich dann erfreuen kannst!

Jochen Bantz